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Wir haben es geschafft, aber es gibt noch viel zu tun

Zum 35. Jubiläum der WeiberWirtschaft, das wir am 17. Dezember 2024 gefeiert haben, haben wir mit zwei Frauen gesprochen, die ganz am Anfang dabei waren, als die verrückte Idee aufkam, eine Immobilie in Millionenwert zu kaufen und einen feministischen Gewerbehof zu gründen. Doch diesmal haben wir weniger über die Vergangenheit gesprochen und mehr über die Gegenwart und die Zukunft: Ob die Erwartungen erfüllt wurden und wie Ansprüche der WeiberWirtschaft-Gründerinnen an die junge Generation aussehen. Das Interview wurde bereits in unserem letzten Rundbrief veröffentlicht. Eine längere Version des Interviews können Sie hier lesen.

 

Im Gespräch mit der langjährigen Vorstandsfrau und später Aufsichtsrätin Prof. Dr. Claudia Gather und ihrer Lebensgefährtin Johanna Turczyk war Džordana Graicevičiūtė.

Bald feiern wir das 35. Jubiläum der WeiberWirtschaft. Kehren wir kurz zum Anfang zurück. Wie fühlte es sich damals an, als es schon klar war, dass es kein kleines Frauenprojekt wird, sondern ein richtiges Unternehmen, das eine Menge finanzielle Investitionen benötigt?

CG: Wir haben ganz schnell festgestellt, dass unser Vorhaben fast unmöglich ist. Unter dem Motto „Es ist unmöglich, wir machen es trotzdem“ gingen wir beherzt daran das Vorhaben in die Tat umzusetzen, immer auch mit der Möglichkeit des Scheiterns vor Augen.

Als wir uns für die Immobilien bei der Treuhandanstalt beworben haben und ausgerechnet haben, wie viel Geld wir dafür brauchen, war klar, dass wir nicht mal ansatzweise ausreichend Eigenkapital hatten. Aber wir waren junge, unerschrockene Frauen und wollten ausprobieren, was machbar ist. Weil die Treuhand ihre Immobilien an westdeutsche, überwiegend männliche Investoren verscherbelte, wollten wir einen Teil des Kuchens für Frauen beanspruchen.

Heute hätte ich bestimmt mehr Bedenken. Das junge Alter hat schon eine Rolle gespielt. Aber wir haben auch ohne Ende mit viel Enthusiasmus und unentgeltlich an der Umsetzung gearbeitet, obwohl die meisten von uns noch woanders tätig waren. Das war ein sehr gutes Team voller Ideen, das super zusammengepasst und immer zusammengehalten hat.

JT: Bei der Gründung des Vorläufervereins war ich dabei. Man brauchte für die Gründung sieben Mitglieder, es waren an dem Tag aber nur sechs. Da bin ich angerufen worden und schnell dazu gekommen. Mein Beruf hat mir nicht so sehr erlaubt, aktiv in der WeiberWirtschaft mitzuwirken. Ich war Kinderkrankenschwester. Aber ich habe jederzeit gerne geholfen, wenn Hilfe gebraucht wurde und Claudia unterstützt und den Rücken freigehalten.

Und haben sich all die Mühen gelohnt? Hat die WeiberWirtschaft Ihre Erwartungen, die Sie damals hatten, erfüllt?

CG: Es ist ein großes Glück, dass die WeiberWirtschaft das geschafft hat und alle auftretenden Probleme gemeistert hat. Davon haben wir geträumt, aber dass wir das jemals schaffen, war nie sicher. Und natürlich wollten wir die Welt verändern und die Wirtschaft weiblicher machen. Und da ist immer noch viel zu tun.

Es ist heute ganz normal, dass Frauen im Erwerbsprozess mit dabei sind und auch in höheren Positionen im Verhältnis zu vor 30 Jahren. Auch dass eine Frau Kanzlerin werden kann, war damals noch unvorstellbar. Und trotzdem ist das Idealbild des Unternehmers bis heute ein weißer Mann, der Tag und Nacht versucht, für sein Unternehmen Profite zu erwirtschaften. Selbständige Frauen sind keine homogene Gruppe. Sie haben verschiedenste Ideen, was sie machen wollen und wie sie arbeiten wollen. Viele legen mehr Wert auf soziale Aspekte und Nachhaltigkeit als auf Profite. Und diese Vielfalt ist gut. Wir müssen Frauen erlauben so zu wirtschaften, wie sie es wollen, und sie bei diesem Vorhaben genauso ernst nehmen und unterstützen. Es geht darum, was die Frauen wollen und nicht darum, wie wir sie sehen wollen.

Auch die Welt der Selbständigkeit ist leider nach wie vor durch Geschlechterungleichheit geprägt. So liegt laut OECD der Einkommensunterschied zwischen selbständigen Männern und Frauen bei 29 %. Und das hat vielfältige strukturelle Gründe und ändert sich nur sehr langsam. Zum Beispiel fragen Banken die Männer, wie sie ihr Ziel erreichen wollen. Die Frauen fragen sie hingegen eher, welche Schwierigkeiten es bei der Umsetzung ihres Vorhabens geben könnte.

Woran soll die WeiberWirtschaft in der Zukunft am härtesten arbeiten?

CG: Wir müssen die Wirtschaft noch weiblicher machen. Als erstes sollte die WeiberWirtschaft das Erreichte konsolidieren. Das zweite ist, Hände und Füße in die Politik zu strecken und dort Einfluss zu nehmen. Und das Dritte, sich zu fragen, welche neuen Ideen, auf der Basis des schon Erreichten, sinnvoll sind.  

Der Generationswechsel steht bevor. Die jungen Feministinnen bringen einen anderen Hintergrund und teils einen anderen Feminismus mit. Finden Sie mit ihnen irgendwelche Bezugspunkte?

JT: Ich freue mich, dass es einen neuen Feminismus überhaupt gibt. Man kann nicht zulassen, dass der Feminismus untergeht, denn es gibt eine Menge Sachen, für die Frauen immer noch kämpfen müssen. Deswegen fördern und unterstützen wir junge Frauen gerne.

CG: Ich habe ein Doktorandinnen-Programm betreut und bin immer noch mit jungen Akademikerinnen im Austausch. Und ich finde sie total toll. Viele von denen kommen aus der zweiten Migrant*innengeneration. Viele sind sehr fleißig, engagiert und wollen etwas erreichen. Und dass sie die Sachen etwas anders sehen und machen, als wir es gemacht haben, ist normal. Sie müssen ihre eigenen Akzente setzen.

Was erwarten Sie von den jungen Frauen, die die WeiberWirtschaft weiter aufbauen werden?

CG: Junge Frauen übernehmen das schon bestehende Unternehmen. Und darin steckt potentiell die Gefahr träge zu werden: Wenn man keine Not hat, Ideen zu finden, kann man auch alles beim Alten belassen. Wir erhoffen uns von der jungen Generation, dass sie mutig sein werden, eigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen, auch wenn es fast unmöglich und schwierig erscheint. Wie kann man feministische Ideen in Vorhaben umsetzen um damit Wirtschaft zu verändern, ist die für mich interessante Frage. Ich wünsche ihnen auch das Glück, das wir hatten. Denn letztendlich konnten wir unseren Traum verwirklichen.  

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